Zu dieser Erkenntnis hätte ich auch früher kommen können. Schon vor fünf Dekaden war sich ein Freund sicher: Du stammst aus der Zeit von Karl dem Großen. Gut, den Weit- oder Tiefblick in die Geschichte teilte ich damals nicht, aber jetzt bin ich nachdenklich geworden. Karl der Große war 500 Jahre früher als das Gewand, das ich jetzt angezogen habe.
Nein, das stimmt nicht, es ist erst drei Jahre alt. Aber es hat Qualitäten. Der Umhang: seidenweicher Samt. Gefüttert mit Seide. Die Schließe aus Samtriegel und zwei kostbaren Knöpfen liegt auf einem Kleid, das senkrecht von Bordüren geteilt wird, die wundervoll mit denen des Umhangs korrespondieren. Es ist aus "Leinen", raffiniert geschnürt an den Seiten, paßt jeder Taillenweite im Nu. Dann der Effekt: ein Schlauch aus spinnenfeinem Seidenvoile umhüllt das Gesicht. Ein Schal aus diesem Material, mit Hilfe der angenähten Perle genau in der Mitte der Stirn platziert, fällt zu beiden Seiten herab, gekrönt von einem Kopfreif aus besticktem Samt. Und dann die Farben! Wörter schaffen's nicht, muss man anschauen!
Die Anprobe fand in der Gewandmeisterei der Staufersaga in Schwäbisch Gmünd statt. Ein wahres Traumlager, in dem Erwachsene ihre Sehnsüchte nach anderer Identität ausleben könnten. Über allem schwebt der Krönungsmantel, der nun seiner Vollendung entgegenstrebt. Die Schließe ist fertiggestellt. Eine diffizile Angelegenheit, die Goldschmied Hans Vetter in 300 Arbeitsstunden hergestellt hat. Kann man nachlesen, wenn man dem Link folgt.
Warum das Ganze? Wir streben wieder einem Stauferfestival entgegen. Überall ist auf den Litfasssäulen zu lesen "Barbarossa kommt". Tja, ich habe die Zukunft ernst genommen! Zwar findet alles in Schwäbisch Gmünd statt - aber ich bin schon zu Barbarossas Grablege umgezogen. Die ist im Kloster Lorch. Und jetzt noch das Gewand ... ist das ein Zeichen?