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18.06.2021:
Eine Freundin fürs Leben

<< Was erhofft man, wenn 
man sich eine Freundin wünscht?
Vieles - 
ich hatte das Glück, eine zu finden: Erdmute Mazzei!

Eine total verrückte Idee, das sagte jeder, dem ich davon erzählte. Nur eine nicht, die sagte: „Komm, das machen wir!“ Und dann reisten wir für ein paar kurze Tage im Dezember mit der Bahn nach Sylt. „Da war ich noch nie!“, begründete Erdmute ihren Entschluss.
Ich war völlig von der Rolle nach dem Endspurt mit meinem ersten Roman, war glücklich, Gmünd und alles, was mich im Schreibmarathon an die Tastatur gefesselt hatte, hinter mir lassen zu können.
Westerland war grau, kurze Tage, lange Abende, eisiger Wind, spiegelglatte Wege. Alles nur in Grautönen: Meer, Möwen und Himmel. Als ich für Erdmute ein Haiku notierte, lachte sie. Ich schrieb:

Wenn Grau nicht grau ist, 

aber Grau grau sein könnte,

bleibt Grau immer grau?
Erdmute machte das sylter Grau nichts aus.

Wir liefen wie auf Eiern, bedacht nicht auszurutschen und auf dem Boden zu landen. Gebrochenes wollten wir nicht riskieren. Das Tageslicht geizte, viele Restaurants waren geschlossen bis auf die, vor deren Türen sich die Prosecco-Genüssler an Tischen drängten. Nein, das wollte Erdmute nicht. Also suchten wir ein ruhiges Eck, speisten sparsam, denn Erdmute war Genießerin. Als gute Köchin konnte sie auswärts nicht vieles überzeugen.

„Komm, wir gehen zurück! Lies mir lieber was vor!“
 Unser Hotelzimmer war nett, vor allem gut beheizt. Erdmute fieberte dem Vorlesen meines Erstlings entgegen, der sich in großen Teilen auf Sylt abspielt.

Das war Erdmute. Dazu eine freigiebige Gastgeberin, die mit immer neuen schmackhaften Varianten aus der italienischen Küche begeisterte. Als „Mamma“ mit stets offenem Ohr für Sorgen und Freuden. Hingebungsvolle Gärtnerin, eine Frau mit dem Talent, mit einfachen Mitteln aus einer Hütte ein Kunstwerk zu machen. Ein Stein, ein Stück Baumrinde, eine Blüte, eine Feder wurden in ihrer Hand zu etwas, das unmittelbar die Atmosphäre verschönte.

War Erdmute ohne Fehler?
Nein, sie war ein Mensch!

Was ich bedaure ist, nicht hartnäckiger bei ihr vorgesprochen zu haben, sie nicht auszulassen - denn ihr Telefon ignorierte sie, das Läuten an der Tür traf meistens auf ihre Abwesenheit. Aber nichts hat die tiefe Verbundenheit abreißen lassen, die ich empfinde.


Auf Wiedersehen -
 dann lachen wir miteinander und schauen gemeinsam auf die Welt!>>

Das ist meine Trauerrede, um die mich Erdmutes Kinder gebeten haben für die Beerdigung am letzten Junimontag.