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31.08.2021:
Graffiti am Meeresrand
Die Uferbefestigung vor dem Deich am Seglerhafen leuchtet in der Sonne. Auf den grauen Granitblöcken Spuren in Currygelb. Zorn staut sich auf, machen die Graffiti-Sprüher vor gar nichts mehr Halt? Im Hamburger Hauptbahnhof viele Zugwagen vollgesprüht, sogar die Fenster blickdicht. Jetzt sind auch auf der Insel ihre Spuren zu sehen. Noch vereinzelt an der "Stadtmauer" mit den Fluttoren. Ob auch diese als individuelle Projektionsflächen dienen, ließ sich nicht feststellen. Niedrigwasser. Da bleiben die Tore unsichtbar. Nur bei Hochwasser, das über die Hafenanlage steigt und alle Parkplätze an der Fähre tief unter Wasser setzt, werden sie geschlossen.
Beim Näherkommen verfliegt mein Zorn. Tja, Vorurteile sind schnell, aber genaues Hinschauen belehrt eines Besseren. Currygelb sind die Flechten, die auf den Steinen ihre eigenen Wege gehen und eine leuchtende Spur hinterlassen. Wie die schwungvollen Muster der kostbaren Brokate von einst ziehen sie ihre Linien auf dem rauen Stein. In Schwüngen, in Geraden, als Punkte oder Flächen. Nicht dicht an dicht, sondern mit freien Stellen dazwischen.
Ein Stückchen weiter des Wegs dienen nicht allein Steinbrocken als Befestigung. Von Beton werden sie gehalten und ergänzt. Hier war ein kreativer Betonschlauchhalter zugange. Keine breite Fläche gespritzt, sondern den flüssigen Beton in Schwüngen aufgetragen. Vielleicht wurde auch die Flüssigkeit des Materials reduziert. Damit nicht alles nur floss, sondern Strömungsspuren entstanden. Das Ergebnis erinnert an die kunstvollen Faltenwürfe der Gewänder der Statuen in Romanik und Barock.
Eine ganz neue Welt tut sich auf. Die Harmonie zwischen Granit und Beton inspiriert offensichtlich auch die Flechten. Sie zeichnen den Faltenschwung nach, kuscheln sich in Vertiefungen, ziehen zielstrebig auf den Kanten nach oben und unten. Betonen den Schwung der Hüfte, um den sich eine Tunika faltenreich legt. Beim Part des "Ärmels" haben sie sich besondere Mühe gegeben. Der Oberarm folgt dem Faltenwurf von der Schulter horizontal, die Muster am Unterarm nach unten fallend.
Haben Wellen die Falten in den feuchten Beton gegraben? Oder ist das ein anderes Phänomen? Wie wäre es damit: Es werden Schwingungen der Luftgeister sichtbar. Sie zeichnen Botschaften in Stein und Beton. Akzentuieren sie mit Currygelb, damit wir endlich lesen lernen. Oder genauer hinzuschauen. Oder sind es Zeichen einer fremden Sprache? Insignien von Außerirdischen. Mit menschlichen Gelüsten wie Ritzungen "Ich war hier und du hast nichts bemerkt!"