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10.11.2021:
Nicht alles bleibt grau

Mein Marathon nähert sich dem Ende, in knapp 60 Stunden sitze ich im Zug gen Süden. Die Zeiger der Uhr schieben sich schneller vorwärts. Ein Inselphänomen: Bei der Ankunft dehnen sich Stunden und Minuten endlos, in der Mitte des Aufenthalts erreichen sie den normalen 60-er-Takt. Auf den letzten Metern, besser Stunden, rasen sie los. Die Öffnung der Sanduhr ist vergrößert, der Kegel im unteren Kolben wächst immer schneller in die Höhe.
Heute ist ein heller grauer Tag ohne die blauen Fleckchen, die hoffnungsvoll zukünftige Sonne erahnen lassen. Aber besser als der Regen gestern, der den Besuch an El Masajistas Grab verhinderte, dafür zu einem langen Nachmittag bis in den Abend mit seiner Witwe führte mit Gesprächen über den Verstorbenen, voll Erinnerungen und Gegenwärtigem. Sie wird eingehüllt in einen Kokon der Liebe. Die drei Söhne und ihre Familien, nur einer vor Ort, die anderen auf dem Festland, begleiteten sie wie Bodyguards. Ein eindrucksvolles Bild, die baumlangen Kerls im schwarzem Outfit mit ihrer Mutter auf dem Gang durch Husum ins Krankenhaus.
Schaffe ich es morgen ans Grab? Mit dem Bus? Ich kann wählen zwischen Hin- oder Rückfahrt, ein Zwölf-Kilometer-Marsch ist auf jedem Fall fällig. Tja, der Busfahrplan im Winterschlaf. Alles, was in zwei Stunden erledigt wäre, nimmt seit dem 24. Oktober einen ganzen Tag in Anspruch. In der Schulzeit! In den Schulferien sind die Verbindungen rarer. So verliert eine weitere Gewissheit ihre Gültigkeit: Auf der Insel brauch ich kein Auto.
Ich blase die Kerze aus. Ein letzter liebevoller Gedanke an El Masajista gen Himmel geschickt, wo ich ihn vermute. Welch tröstlicher Gedanke!