Kaum angekommen, sagt mein Gefühl, der Blick auf den Kalender beweist, es ist eine ganze Woche vergangen, seit ich die Insel verlassen habe. So turbulent ist der Alltag, dass ich es ausgesprochen genieße, noch einmal Bilder aus den letzten vier Wochen anzuschauen und eins auszuwählen, das die Situation illustriert: eines von der Heimfahrt im Zug. So vielschichtig wie die vorbei eilenden Szenen, angereichert mit Momenten aus dem Abteilinneren, war die erste Woche. Denn die 87-jährige Künstlerin Gudrun Müsse Florin kam mit ihrem neuen Kunstwerk aus Südfrankreich nach Gmünd. Das "Fischschuppen-Projekt", eine 12 qm große Nesselleinwand, bestückt mit über 370 Edelmetall-Plaketten, in die Namen und Daten von ungenannten Nazi-Opfern eingraviert sind. Fein aufgereiht und aufgenäht in Wellenform, Platz für noch nicht genannte ist geblieben. Ein ausdrucksstarker Beitrag, der die Feier zum 9. November zu einem unvergesslichen Augenblick werden ließ. Der Vortrag über einen jüdischen Rechtsanwalt und seine systematische Ausraubung durch das Finanzamt in den Jahren 1933 bis 1942, zeigte an einem Einzelschicksal, wie akribisch die Vorgänge vom Staat geplant, von seinen Beamten ausgeführt wurde. Kein Ruhmesblatt auch die sogenannte Wiedergutmachung. Da wurde bezweifelt, runtergerechnet, sodass dank der Währungsreform von einem stattlichen Reichsmarkvermögen nur ein kleiner Bruchteil in DM gezahlt werden mußte. Museumsleiter Dr. Max Tillmann schlug in seiner Laudatio den Bogen zum Kunstwerk. Auch Müsse Florin ist akribisch, jedoch in der Recherche, um nur jene zu nennen, die in den dunklen Jahren durch die Nazis gefoltert und ermordet wurden. Eine Arbeit, die die andere Seite der hoch politischen Künstlerin zeigt. Nicht allein Formen und Materialvielfalt fügt sich in ihren Händen zu aussagestarken Werken, dahinter auch steht wissenschaftlich fundierte Recherche, die prüft und hinterfragt.